Nach § 1568a Abs. 1 BGB kann ein Ehegatte verlangen, dass der andere ihm die Ehewohnung anlässlich der Scheidung überlässt, wenn er auf deren Nutzung unter Berücksichtigung des Wohls der im Haushalt lebenden Kinder und der Lebensverhältnisse der Ehegatten in stärkerem Maße angewiesen ist als der andere oder wenn die Überlassung aus anderen Gründen der Billigkeit entspricht. Dabei ist vorrangig zu prüfen, inwieweit der den Antrag stellende Ehegatte stärker auf die Nutzung der Wohnung angewiesen ist. Erst dann, wenn sich nicht feststellen lässt, ob der eine Ehegatte stärker als der andere auf die Nutzung der Ehewohnung angewiesen ist, ist auf die zweite Alternative der sonstigen Billigkeitserwägungen zurückzugreifen). Ist weder ein Ehegatte auf die Nutzung der Wohnung angewiesen, noch nach Billigkeit einem der Ehegatten die Wohnung zu überlassen, ist der Antrag zurückzuweisen.
Wenn – wie im Streitfall – das Wohl von Kindern nicht zu berücksichtigen ist, ist die Angewiesenheit beider Ehegatten auf die Wohnung nach einer Gesamtwägung aller Umstände, die die Lebensverhältnisse der Ehegatten bestimmen, zu beurteilen. Bei der Gesamtabwägung im Einzelfall zu berücksichtigende Umstände sind in der Regel Alter und Gesundheitszustand der Ehegatten, der Umstand, dass ein Ehegatte die Wohnung schon vor der Eheschließung bewohnt hat, die Frage, welcher Ehegatte eher eine geeignete Ersatzwohnung finden kann und allgemein auch die finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten, die Nähe der Wohnung zum Arbeitsplatz oder die Verbindung mit Geschäftsräumen, Eigenleistungen, die ein Ehegatte zum Aufbau der Wohnung erbracht hat, und auch die Aufnahme eines nahen pflegebedürftigen Angehörigen zu berücksichtigen. Maßgeblich sind auch die sozialen Beziehungen im Umfeld, nicht aber Nutzungsbedürfnisse dritter Personen, z. B. neuer Lebensgefährten der Ehegatten.
OLG Frankfurt/M., Beschluss v. 18.5.2022, 6 UF 42/22