Entziehung des Sorgerechts für Erbscheinsverfahren

Ein Sorgerechtsentzug für ein Erbscheinerteilungsverfahren muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Er ist nicht erforderlich, wenn zu erwarten ist, dass die Eltern im Interesse des Kindes handeln, und ihr Einfluss auf die Entscheidung gering ist.

Die Entziehung der Vertretungsmacht der Eltern und die Bestellung eines Ergänzungspflegers richten sich nach § 1629 Abs. 2 Satz 3 i.V. mit § 1796 Absatz 2 BGB. Demnach soll einem Elternteil das Sorgerecht nur entzogen werden, wenn das Interesse des Kindes zum Interesse des Elternteils als gesetzlichem Vertreter in erheblichem Gegensatz steht.

Ein erheblicher Interessengegensatz ist gegeben, wenn das eine Interesse nur auf Kosten des anderen Interesses durchgesetzt werden kann und die Gefahr besteht, dass die sorgeberechtigten Eltern das Kindesinteresse nicht genügend berücksichtigen können. Derartige Interessengegensätze dürfen nicht allgemein vermutet werden, sondern müssen jeweils im Verfahren konkret festgestellt werden.

Bei allen Eingriffen in das Elternrecht ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit strikt zu wahren, so dass von einer Entziehung der Vertretungsmacht abzusehen ist, wenn trotz des konkret festgestellten Interessenwiderstreits zu erwarten ist, dass die Sorgerechtsinhaber dennoch im Interesse ihres Kindes handeln werden. Bei der Entscheidung des Familiengerichts über die Entziehung ist auch der Gesichtspunkt des Familienfriedens zu berücksichtigen.

OLG Nürnberg, Beschluss v. 20.6.2022, 7 WF 434/22