Aufhebung des Scheidungsbeschlusses

Das Verfahren des Amtsgerichts leidet an einem wesentlichen Mangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruht. Das Amtsgericht hat gegen die ihm obliegende Amtsermittlungspflicht (§ 26 FamFG) verstoßen, indem es hier die für eine richterliche Kontrolle des notariellen Ehevertrages vom 10.03.1992 (§ 8 VersAusglG) unverzichtbare Tatsachenaufklärung unterlassen hat.

Die richterliche Kontrolle, ob durch eine Vereinbarung über den Versorgungsausgleich (hier: Auschluss des Versorgungsausgleichs im Ehevertrag) eine evident einseitige und unzumutbare Lastenverteilung entsteht, hat der Tatrichter durchzuführen, wenn und soweit das Vorbringen der Beteiligten oder die Sachverhaltsumstände hierzu Veranlassung geben. Die Sachverhaltsumstände geben jedenfalls dann zu einer näheren Prüfung Veranlassung, wenn sich das Vorliegen einer typischen Unwirksamkeitsfallgruppe aufdrängt.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit eines sog. vorsorgenden, d.h. eines vor oder anlässlich der Heirat und im Zusammenhang entweder mit einer Schwangerschaft oder mit der Sorge für ein gemeinsames Kind geschlossenen Ehevertrages begründet eine Schwangerschaft zwar allein noch keine ungleiche Verhandlungsposition. Sie ist aber ein Indiz dafür und rechtfertigt es, den Vertrag einer verstärkten richterlichen Inhaltskontrolle zu unterziehen.

OLG Brandenburg, Beschluss v. 14.6.2022, 9 UF 221/21