23.000 Euro Schadenersatz wegen fehlenden Kinderbetreuungsplatzes

1. Die Anmeldung eines Betreuungsbedarfs setzt voraus, dass der Wille des Anspruchstellers bzw. seiner Eltern, den Rechtsanspruch aus §  24 Absatz 2 SGB VIII geltend zu machen, hinreichend deutlich hervortritt.

2. Eine rechtzeitig bei der Gemeinde eingegangene Bedarfsanmeldung muss sich der Landkreis als Träger der öffentlichen Jugendhilfe entgegenhalten lassen, denn die Gemeinde ist verpflichtet, die Bedarfsanmeldung gemäß § 16 Abs.  Absatz 2 Satz 1 SGB I unverzüglich an den Träger der öffentlichen Jugendhilfe weiterzuleiten, wobei Sinn und Zweck des § 16 SGB I gerade ist, das bedarfsanmeldende Elternteil davor zu bewahren, mit seinem Begehren an den Zuständigkeitsabgrenzungen innerhalb der gegliederten Sozialverwaltung zu scheitern. Diesem Zweck würde eine Auslegung der Regelung nicht gerecht, die es der Gemeinde erlaubte, durch eine unterlassene Weiterleitung des Antrags die Leistungsgewährung zu vereiteln.

3. Der Nachweis eines Betreuungsplatzes erfordert ein aktives Handeln des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe im Sinne eines Vermittelns bzw. Verschaffens.

4. Neben dem konkret-individuellen Bedarf des anspruchsberechtigten Kindes sind bei der Frage der Zumutbarkeit eines Betreuungsplatzes auch die Bedürfnisse seiner Erziehungsberechtigten zu berücksichtigen, wozu auch die Entfernung des Betreuungsplatzes zur Arbeitsstätte gehört.

5. Der in § 839 Abs. 3 BGB normierte Grundsatz der Vorrangigkeit des Primärrechtsschutzes führt nur dann zu einem Ausschluss der Ersatzpflicht, wenn die Bereitstellung eines zumutbaren Betreuungsplatzes durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe erwartet werden kann. Hieran fehlt es, wenn nicht absehbar ist, wann der Träger der öffentlichen Jugendhilfe seiner Bereitstellungs- und Nachweisverpflichtung genügen können wird.

OLG Frankfurt/M., Urteil v. 28.5.2021, 13 U 436/19