Kein Ordnungsgeld gegen nicht erschienenen Zeugen wegen Corona-Gefahr

Nach § 380 Abs. 1 Satz 2 ZPO wird gegen einen ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt. Das Auferlegen der Kosten und das Festsetzen eines Ordnungsmittels unterbleiben jedoch gemäß § 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO dann, wenn das Ausbleiben des Zeugen rechtzeitig genügend entschuldigt wird.

Eine genügende Entschuldigung des Ausbleibens erfordert, dass der Zeuge Tatsachen vorträgt, die sein Ausbleiben rechtfertigen. Maßstab ist die Zumutbarkeit, so dass eine hinreichende Entschuldigung vorliegt, wenn dem Zeugen bei Würdigung sämtlicher Umstände ein Erscheinen nicht zugemutet werden kann.

Der Zeuge r hat zwar nicht dargetan, dass er wegen einer akuten Erkrankung oder der Anordnung einer ihn betreffenden Quarantänemaßnahme nicht am Termin teilnehmen konnte. Auch hat er sich nicht darauf berufen, einer besonderen Risikogruppe anzugehören, für die im Falle einer Corona-Infektion ein besonderes Risiko für einen schwerwiegenden Verlauf bestünde.

Ebenfalls würde eine rein subjektive Angst, sich in einem Gerichtstermin oder auf der Fahrt dorthin mit einer Infektionskrankheit anzustecken, für eine Entschuldigung grundsätzlich nicht genügen.

Es ist auch richtig, dass die Justiz als systemrelevant eingestuft wird und rechtlich durch die Verordnungen der Länder zur Bekämpfung des Corona-Virus Gerichtsverhandlungen von den Beschränkungen ausgenommen sind.

Dennoch kann nicht in Abrede gestellt werden, dass trotz aller Schutzmaßnahmen das größte Infektionsrisiko im Gerichtsbetrieb die öffentliche mündliche Verhandlung darstellt, weil hier u.U. eine Vielzahl von Personen aus unterschiedlichen Lebensbereichen auf relativ engem Raum zusammenkommt (Richter, Rechtsanwälte, Parteien, Zeugen, Sachverständige, Dolmetscher, Zuhörer usw.). Dass es trotz aller Maßnahmen zu einer Infektion kommen kann, kann nicht ausgeschlossen werden. In dieser Hinsicht ist die Lage in einem Gerichtssaal nicht anders als in dem vom Zeugen genannten Friseursalon.

In der hier zu berücksichtigenden konkreten Situation am 6.2.2021 war es zudem so, dass die deutschlandweite sogenannte 7-Tage-Inzidenz bei 76 lag und das Risiko einer Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland vom RKI insgesamt als „sehr hoch“ eingeschätzt wurde.

Das öffentliche Leben ruhte weitgehend, indem Geschäfte und Schulen ganz oder teilweise geschlossen waren. Aufgrund der Empfehlungen der zuständigen Stellen waren Sozialkontakte zur Vermeidung von Infektionen zu minimieren und auf das Notwendige zu beschränken. Impfstoffe waren noch nicht in ausreichendem Maße vorhanden.

Diese (Ausnahme)situation lässt die allgemeine Angst des Beschwerdeführers, im Gerichtsgebäude der – wenn auch geringen – Gefahr, sich mit dem Coronavirus zu infizieren, ausgesetzt zu sein, den Anforderungen an eine Entschuldigung im Sinne von § 381 ZPO genügen.

OLG Brandenburg, Beschluss v. 27.4.2021, 3 W 39/21