Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmt sich das Maß der gebotenen Aufsicht nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie danach, was den Aufsichtspflichtigen in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann. Entscheidend ist, was verständige Aufsichtspflichtige nach vernünftigen Anforderungen unternehmen müssen, um Schäden zu verhindern. Dabei kommt es für die Haftung stets darauf an, ob der Aufsichtspflicht nach den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles genügt worden ist.
Das Maß der geschuldeten Aufsicht erhöht sich mit der Gefahrträchtigkeit der konkreten Situation. Spielen Kinder in der Nähe von Straßen oder in der Nähe gefährlicher Gegenstände, ist mehr Aufsicht angebracht als innerhalb eines abgegrenzten, risikoarmen Bereichs. Kleinkinder bedürfen prinzipiell ständiger Aufsicht, damit sie sich nicht Gefahren in ihrer Umgebung aussetzen, die sie aufgrund ihrer Unerfahrenheit und Unbesonnenheit noch nicht erkennen und beherrschen können. Die Rechtsprechung gesteht Kindern erst ab einem Alter von vier Jahren einen gewissen Freiraum zu.
Schon ab einem Alter von etwa 3 Jahren müssen Kinder in einer geschlossenen Wohnung nicht mehr ständig beobachtet werden, sondern es ist ihnen ist mit Blick auf die persönliche Entfaltung und Entwicklung die Gelegenheit zu geben, sich allein zu beschäftigen. Der Aufsichtspflichtige muss jedoch sicherstellen, dass er stets die Möglichkeit hat, Gefahrensituationen in kürzester Zeit zu erkennen und sachgerecht einzugreifen.
OLG Saarbrücken, Urteil v. 22.12.2022, 4 U 50/21