1. Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung können als außergewöhnliche Belastung nach zu berücksichtigen sein. Dafür ist es erforderlich, dass die künstliche Befruchtung mit dem Ziel erfolgt, die auf einer „Krankheit“ der Frau oder des Mannes beruhende Kinderlosigkeit zu beheben. Eine chromosomale Translokation mit erheblichen hieraus resultierenden Risiken und möglichen Folgen für ein auf natürlichem Weg gezeugtes Kind ist als Krankheit einzuordnen. 33 Abs. 1 EStG
2. Die bei Vorliegen einer Krankheit bei dem bzw. der einen Partner(in) unwiderleglich vermuteten Merkmale der Außergewöhnlichkeit und der tatsächlichen Zwangsläufigkeit im Sinne von sind aufgrund der infolge des gemeinsamen Kinderwunsches gebotenen Gesamtbetrachtung auf die bzw. den sich gleichermaßen in einer Zwangslage befindende(n) gesunde(n) Partner(in) zu übertragen. Dies gilt ungeachtet des Bestehens einer Ehe. 1, Abs. 2 Satz 1 EStG
3. Die Berücksichtigung von Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung als außergewöhnliche Belastung kommt bei einer Einzelveranlagung gemäß § 25 EStG angesichts der für beide Partner bestehenden Zwangslage bei dem Partner bzw. der Partnerin in Betracht, dem bzw. der die Aufwendungen im Sinne des „erwachsen“ sind, weil er bzw. sie die Aufwendungen tatsächlich und aufgrund der gleichgerichteten Interessenlage zumindest auch aus eigenem Interesse getragen hat. Eine Berücksichtigung bei dem anderen Partner bzw. der anderen Partnerin nach den Grundsätzen des abgekürzten Zahlungswegs kann nicht erfolgen; ein Wahlrecht besteht nicht. 1 EStG
Niedersächsisches FG, Urteil v. 14.12.2021, 6 K 20/21 – Revision beim BFH unter Az. VI R 2/22