Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall mit Rettungswagen

Gemäß § 35 Absatz 5a StVO war das  Rettungsdienstfahrzeug  zum Unfallzeitpunkt von den Vorschriften der StVO befreit. Allerdings dürfen diese Sonderrechte gemäß § 35 Abs.  7 StVO nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden. Zwar bedeutet nicht jede leichte Fahrlässigkeit einen Verstoß gegen § 35 Absatz 7 StVO. Allerdings verpflichtet die gebotene Rücksichtnahme den privilegierten Fahrer, sich zunächst langsam in die Kreuzung „hineinzutasten“. Der Fahrer muss also zunächst mit so geringer Geschwindigkeit fahren, dass er sofort anhalten kann, wenn er ein vorfahrtsberechtigtes Fahrzeug erkennt. Erst wenn er sich hinreichend vergewissert hat, dass der Querverkehr das privilegierte Fahrzeug erkannt hat und ihm den Vorrang einräumt, darf er wieder beschleunigen.

Im Streitfall ging es um die Frage der Unvermeidbarkeit und des Verschuldens bei dem Zusammenstoß eines mit Blaulicht und Martinshorn bei Rot in den Kreuzungsbereich einfahrenden Rettungswagens und eines Kraftfahrzeugs, wenn offen bleibt, ob die mit Grünlicht in die Kreuzung einfahrende Lenkerin des Kraftfahrzeugs das Martinshorn vernehmen konnte.

LG Stuttgart, Endurteil v. 14.6.2022, 12 O 423/20