Der Links-Abbieger, der sich noch nicht auf dem linken Fahrstreifen der neuen Straße eingeordnet hat, sondern im Verlauf seines Bogens den linken Fahrstreifen der rechten Fahrbahnhälfte der Straße in die er eingebogen ist, überfährt und die rechte Fahrbahnspur ansteuert, nimmt deshalb keinen Fahrstreifenwechsel vor. Dies gilt insbesondere, wenn sich – wie vorliegend – der Unfallgegner, also die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs, noch nicht im Fahrstreifen der neuen Straße eingeordnet hatte und damit noch nicht zum fließenden Verkehr gehörte.
So hat der als ordnungsgemäß eingeordnete Linksabbieger auf der linken der beiden Linksabbiegespuren gegenüber der rechts von ihm eingeordneten Fahrerin des Pkw grundsätzlich Vorrang und hinsichtlich des Fahrstreifens auf der Straße die freie Wahl.
Nach hat sich ein Linksabbieger rechtzeitig möglichst weit links einzuordnen. Wie beim Rechtsabbiegen trifft daher den Verkehrsteilnehmer, der sich entgegen der Vorschrift verhält, eine erhöhte Sorgfaltspflicht, d.h. er darf den links Abbiegenden nicht behindern und muss ihm gegebenenfalls den Vortritt lassen. I 2 StVO
Das Recht der freien Wahl des Fahrstreifens des äußerst links Eingeordneten gilt auch dann, wenn der rechts daneben befindliche Linksabbieger möglicherweise schneller in den Kreuzungsbereich einfährt.
OLG München, Urteil v. 19.1.2022, 10 U 1617/21